Auf Knopfdruck
Es ist nicht einfach, was ich tue. Es stellt Ansprüche an mich, an meine Umwelt, an meinen Geist, welcher sich mit dem Gedanken abfinden muss, der wie ein Dämon in meinem Kopf heult. Immer, wenn ich kurz davor bin, den letzten Schritt zu tun, plagen mich Zweifel. Ich habe mich damit abgefunden, weiß inzwischen, dass das normal ist. Eine Berufskrankheit vielleicht; zumindest in meiner Branche hört man oft davon. Niemandem fällt es leicht, denn es ist unmoralisch, was ich tue. Einige können die Gedanken nur leichter in den Hintergrund stellen als andere. Ich gehöre nicht zu denen.
Ich saß hinter einer Mauer, es war dunkel, hatte mein Arbeitsgerät fest in der Hand. Ich umklammerte es mit meinen schweißnassen Fingern, streichelte wieder und wieder über seine Oberfläche, als wollte es ich es besänftigen. Ich wusste, dass es mir gehorchen würde, das hatte es immer getan, doch das Ritual konnte ich niemals aufgeben.
Ich hörte Stimmen hinter der Mauer, wusste, dass es in wenigen Augenblicken soweit sein würde. Die Zeit war gekommen, ich musste handeln. Das ist es, wofür ich bezahlt wurde. Ich kannte die Person, auf die man mich angesetzt hatte, wie jeder in diesem Land. Sie war die Wochen zuvor auf allen Titelseiten gewesen, konnte keinen Schritt vor die Tür tun, ohne verfolgt zu werden. In jener Nacht jedoch, in der ich wach, verschwitzt hinter einer Mauer hockte, darauf wartete, dass das Schicksal mir einen günstigen Moment zur Verfügung stellen würde, da war mein Ziel allein. Ich wusste das, mein Auftraggeber wusste das, sonst niemand. Das war der Grund, warum er mich zu dem Ort schickte, an dem ich wartete. Weil außer mir, meinem Ziel, seiner Begleitung niemand dort sein würde.
Eine Autotür knallte, die Stimmen wurden deutlicher. Das Geräusch einer Handbremse, die angezogen wurde. Dann Stimmen, zwei. Ich wagte einen vorsichtigen Blick über die Mauer, das Ziel war noch über 20 Meter von meiner Position entfernt, ich konnte es gefahrlos aus dem Dunkel beobachten. Zwei Personen. Mein Ziel sowie eine Begleitperson. Ein Mann, zwanzig Jahre alt, geschätzt, dunkle Haare. Er und das Ziel hielten Händchen, verhielten sich wie frisch verliebt. Das war gut, sehr gut sogar. Mein Auftraggeber hatte gesagt, dass das Ziel eventuell in Begleitung eines Mannes, dessen Beschreibung sehr genau auf den passte, der bei ihm war, erschiene. Er hoffte es sogar. Mein Honorar war in solchen Situationen variabel, aber meinem Auftraggeber war das recht. Er hatte kein Problem damit.
Die Stimmen kamen näher. Ich justierte noch einmal mein Arbeitsgerät, sah testweise einmal hindurch. Die Sicht war klar. Ich hob es nur ein kleines Stück über die Mauer um einen Blick auf mein Ziel zu erhaschen. Ich war unsichtbar. Ich musste nur noch auf einen guten Augenblick warten. Es konnte Stunden dauern, diese Erfahrung hatte ich schon oft gemacht. Es gab nur eine Chance. Wenn das erste Mal kein Treffer ist, dann bin ich entdeckt, es ist vorbei. Nur eine Chance. Aber ich brauche auch nur eine, darum hatte mein Auftraggeber auch mir den Job gegeben. Mein Ziel und die Begleitperson küssten sich, während der Mann mein Ziel auf die Motorhaube des Autos hob. Perfekt. Er griff dem Ziel unter den Rock, zog ihm das Höschen aus, warf es auf den Boden. Ich fragte mich, wieso Personen, die auf Titelblättern von Zeitungen abgebildet werden, solche Dinge in der Öffentlichkeit tun. Aber immerhin erleichtert so etwas meine Arbeit enorm, also beschwere ich mich nicht darüber. Ich tat es auch in jener Nacht nicht. Ich wartete geduldig, einen guten Moment zu erhaschen. Dann, als der Mann meinem Ziel schließlich den Träger des Tops über die Schulter streifte, eine Brust entblößte, einen BH trug mein Ziel nicht, sah ich den perfekten Augenblick vor mir, drückte ab.
Ein heller Blitz. Der Mann und das Ziel drehten sich um, wussten sofort, was passiert war. Es musste alles sehr schnell gehen. Zeit, mein Arbeitsgerät wieder ordentlich zu verpacken, blieb keine. Die Ziele können, nachdem man sie in solchen Situationen erwischt hatte, sehr ungehalten werden, das wusste ich. Ich warf mein es in einen zuvor bereitgestellten Rucksack, schnallte ihn mir um, sprintete zu meinem Motorrad und verschwand in die Nacht noch bevor mein Ziel das Höschen wieder angezogen hatte.
Meine Anspannung, Nervosität, wich einer Euphorie. Ich liebe meinen Beruf, auch wenn ich vor jedem Einsatz nervös bin. Ich liebe den Nervenkitzel, die Momente, in denen das Adrenalin durch meine Adern schießt während ich in der Absicht mit meinem Motorrad durch den dichten Nachtverkehr rase, mein neustes Ergebnis an den Meistbietenden zu verhökern.
Ich bin Fotograf. Und zwar ein verdammt guter.
Mittwoch, 15. August 2007
kurzgeschichte
Freitag, 10. August 2007
musiktipp
jeder, wirklich ausnahmslos jeder, der im moment nicht james chance and the contortions hört, hat sich zu rechtfertigen! und wenn er nicht zufällig im sterben liegt, dann gilt die rechtfertigung nicht.
also los!
Mittwoch, 8. August 2007
zwei kurzgeschichten
für den anfang schreibe ich hier mal zwei kurzgeschichten von mir rein. beides sind geschichten über eindrücke oder momentaufnahmen. viel spass beim lesen
Des Nachts, nackte Silhouetten im Neondschungel
Eine namenlose Großstadt, beliebig auch New York, Tokio, Hong Kong. Des Nachts, vorzugsweise an einem Freitag, die Nacht auf Samstag, oder Samstag, die Nacht auf Sonntag. Dann, wenn die Menschen Zeit haben sich in die Betonschluchten zu wagen, im Neondschungel der modernen Zivilisation ihr langsames Ende zu erwarten.
Die ersten gehen feiern, bewegen sich in gedankenloser Manier zu Bars, Pubs und Klubs. Sie bestellen, trinken, bestellen, trinken, bestellen und trinken. Die zweiten schleichen zwielichtigen Geschäftes wegen durch die Nacht, auf der Suche nach Auftraggeber und Auftragnehmer. Immer zwischen den Schluchten, immer in der Dunkelheit. Entdeckt zu werden heißt zu versagen. Die dritten sind die Wanderer. Sie bewegen sich um sich zu bewegen. Schritt um Schritt um Schritt um Schritt um Schritt. Sie gehen um zu gehen. Sie stehen um zu stehen. Sie haben kein Ziel, keinen Ausgangspunkt. Sie gehen. Sie sind die einzigen, die sich den Gefahren des Neondschungels bewusst sind.
Aldo, einer von ihnen. Seine Wanderschaft führt ihn heute aus den Nebenstraßen, den unbeleuchteten Welten der Trolle und Kobolde, in die bunte Welt der nächtlichen Hauptstraßen. Nur ein Schritt von der beängstigenden aber auch Schutz spendenden Dunkelheit in die laute belebte Neonwelt. Stimmen, die Sekunden vorher nur in der Ferne zu hören waren, unwirklich schienen, wie aus einer anderen Welt, sind jetzt überall. Um ihn herum.
„Das Leben hat mich zurück!“ ruft Aldo, flaniert lustvoll über die Gehwege der Hauptstraßen. Die Menschen, die er beobachtet, sind interessant. Einige sehen ihn an, lächeln oder gucken verstimmt. Andere rennen zielstrebig, den Blick gen Boden gewandt. Einige winken, andere weinen. Wenige sind zu zweit unterwegs, halten sich an den Händen, tauschen Blicke aus, verliebt oder verhasst.
Nur wenige Minuten geht Aldo. Die Eindrücke überfluten ihn, er wechselt wieder in eine Nebenstraße. Keine, die mit absoluter Dunkelheit lockt, sondern eine beleuchtete. Weniger Neon, mehr klassisches Licht. Fast wie Feuer wirkt es, wenn die lädierte Glühlampe einer roten Laterne, welche den Eingang eines Etablissements ziert, elektrisch flackert. Aldo öffnet die Tür, aus dunklem Holz mit einem kleinen Guckloch für den Türsteher versehen, der schon vor langer Zeit gekündigt haben muss.
Das Innere des Etablissements, gehalten in Rottönen, benebelt vom Duft schlechter Aftershaves und billiger Parfums. Einige geschminkte Damen kommen auf Aldo zu, streichen sich über ihre von Zellulitis geplagten Oberschenkel, werfen laszive Blicke. Aldo entscheidet sich für die dritte, die er erblickt. Sie, jünger als die anderen, das Haar heller. Weniger verbraucht, zumindest dem optischen Eindruck nach, und erotischer in jeder Bedeutung des Wortes, wird von ihm zur Bar begleitet. Whisky für ihn, Bourbon, Martini für sie. Die Preise sind günstig für eine Einrichtung dieser Art.
Den Whisky trinken blickt Aldo sich um. Nur weniger Kunden sind hier, außer ihm. Ein alter Herr, doppelt so alt wie seine Begleitung, sitzt mit dieser auf einem roten Chaiselongue. Ein Mann mittleren Alters, sein Haar schon fast vollständig verloren, lässt sich von einer älteren Dame sanft über die Kopfhaut streichen. Dabei trinkt er Bier. Die meisten der angestellten Damen sitzen zu zweit am Rande des Etablissements, warten sich unterhaltend auf neue Kunden. Aldos Begleitung nippt an ihrem Martini, signalisiert mit professionellem Blick, bereit für das Eigentliche zu sein. Aldo leert seinen Whisky mit einem Schluck.
„Vielen Dank“, sagt Aldo, legt einen Geldschein auf den Tisch, der die Dame für die nicht erbrachten Dienste mehr als großzügig entlohnt. Er verlässt das Haus, geht zurück in die im Halbschatten liegende Nebenstraße der Großstadt, lässt die Dame mit verwundertem Blick zurück. Die Nebenstraße gefällt ihm, doch für heute hat er genug. Ein letzter Blick auf die Hauptstraße, bevor er um eine weitere Ecke biegt, zurück in die absolute Dunkelheit. Die Stimmen sind wieder weit entfernt, kaum noch zu hören. Menschen sind wieder ein seltener Anblick.
Aldo setzt sich auf eine Treppe, die er in der Dunkelheit findet. Er wartet für einen Augenblick, bevor er bereit ist, seine Wanderung fortzusetzen, verarbeitet die Eindrücke. Er ist sich sicher, die Stadt zergehe noch heute Nacht. Noch bevor ein Sonnenstrahl das Firmament erhelle. Er weiß es. Doch bevor er darüber nachdenken kann, spürt er den kalten Lauf einer Pistole im Nacken. Ein Drogensüchtiger auf der Suche nach Geld für seinen nächsten Schuss tötet Aldo, den letzten Propheten der zergehenden Großstadt. Er schießt ihm in den Kopf, zweimal, wenngleich der erste Schuss genügt hätte, dann durchsucht er ihn. Als er kein Geld findet, tritt der Drogensüchtiger voller Wut in Aldos Leiche, verrückt sie in eine unwirkliche Position. Aldo gab sein letztes Geld der Dame in dem Etablissement, wissend, die Notwendigkeit, Geld bei sich zu tragen, bestehe bald nicht länger.
Die Sterne über dem Nebel
Meine Geschichte beginnt mit dem Sonnenuntergang eines warmen Oktobertages vor einigen Jahren. Es war ein Altweibersommer, die Tage länger als gewöhnlich, die Nächte sternenklar, wärmer als man es bei einem Blick auf den Kalender erwarten würde. Ich beobachtete den Untergang des wärmespendenden Himmelskörpers von einer idyllischen Wiese in der Nähe des Hauses, in dem ich wohnte, auf einem alten Baumstamm sitzend. Ich erinnerte mich, wie ich als junges Kind in den hohlen Stamm kroch, beim Versteckspiel durch eines der Astlöcher meine suchenden Freunde beobachtete. Ich seufzte, lehnte mich zurück, dachte an die unbeschwerten Kindertage zurück. Durch eines der Astlöcher griff ich in den Stamm, holte die Schachtel Zigaretten hervor, die ich vor Jahren kaufte und zusammen mit einem Feuerzeug für Notfälle versteckt hielt. In der Schachtel befanden sich noch sieben Zigaretten als ich sie aus dem hohlen Stamm holte.
Als die Sonne verschwunden war, der Himmel dem Mond und seinen Sternen gehörte, saß ich noch immer auf meinem Platz inmitten der Wiese, beobachtete das Treiben der Natur. Es fiel mir leicht, dort zu sitzen, über die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft nachzudenken während ich die dritte Zigarette rauchte. An jenem Abend rauchte ich mehr als im ganzen vorausgegangenen Jahr. Doch ich dachte nicht darüber nach. Meine Gedanken widmete ich wichtigeren Dingen. Ich beobachtete einen kleinen Hasen, der über die Wiese sprang, sich auf die Suche nach seiner Partnerin machte. Ich lauschte einem Kauz, der in einem Baum nahe meiner Position saß, seine charakteristischen Laute in die Nacht schrie. Mein Blick folgte kurz einer Fledermaus, die auf der Jagd nach Insekten schnell, zielsicher durch die Luft flog, in der Dunkelheit kaum zu sehen.
Ich erinnere mich nicht, wie lange ich dort saß, bevor ich schließlich dem Teufel begegnete. Es war dunkel, ich hatte eine weitere Zigarette zwischen meinen Fingern, da stand er plötzlich hinter mir, dann vor mir. Er trug schwarze Kleidung, gepflegt, die Haare mittellang, über die Ohren gekämmt. Seine Augen blutrot, katzenartig. Die Mundwinkel zu einem freundlichen Lächeln verzogen. Umhüllt von Nebel sah er mich an, sah ich ihn an. Die Wärme jener Nacht eines wundervollen Altweibersommers wurde durch eine Kälte entzweit, die vermutlich aus meiner inneren Unsicherheit hervorkroch, nicht wirklich existent. Der Nebel jedoch war real, ich sah ihn deutlich. Er folgte dem Teufel wie ein treuer Schoßhund.
„Du weißt“, sagte der Teufel zu mir, „dass du großes Glück hast, mich heute Nacht zu treffen.“
„Glück?“ fragte ich.
„Sicher doch!“ versicherte er mir, „Wer mich bei Nacht trifft, dem erfülle ich einen Wunsch. Jeden Wunsch, den du nur haben kannst. Du musst es nur aussprechen. Doch nur einen an der Zahl, nicht drei wie bei den Flaschengeistern.“
„Dann wünsche ich mir, dass der Nebel verschwindet. Ich will die Sterne wieder sehen können“, sagte ich.
Der Nebel verzog sich, langsamer als er kam, doch schneller als ich es erwartete. Ich schaute auf, am Himmel waren jedoch keine Sterne zu sehen. Auch nicht, als kein Nebel mehr zu sehen war. Bewölkt, kalt, ein Tag, der nicht zu dem Altweibersommer gehörte, den zu genießen ich auf die Wiese gegangen war. Eher ein Tag, wie man ihn dem Oktober normalerweise zurechnen würde. Ich suchte den Teufel, mich zu beschweren über die mangelhafte Erfüllung meines Wunsches, doch ich fand ihn nicht. Mit dem Nebel war auch er verschwunden, mit ihm das Schöne der Nacht. Die Sterne waren nicht das einzige, was fehlte. Es fehlten der Hase, den ich beobachtet hatte. Es fehlte der Kauz, dem ich gelauscht hatte. Es fehlte die Fledermaus, der ich mit meinem Blick zu folgen versuchte. Es fehlt alles, was mich an jener Nacht faszinierte, ich wußte, der Teufel hatte mich betrogen.
Ich ging zurück zu meinem Baumstamm, holte meine Schachtel mit den Zigaretten hervor, zündete die letzte an. Ich sah zum Himmel, doch noch immer waren keine Sterne zu sehen. Wolken, überall, soweit das Auge sehen konnte. Der lauwarme Sommerwind war einer kühlen Brise gewichen. Ich fror, während ich die letzte Zigarette rauchte.
Meine Geschichte endet mit dem Sonnenaufgang eines kalten Oktobertages vor einigen Jahren. Doch noch bevor der erste Sonnenstrahl am Horizont erschien, war ich gestorben. Ich fiel von dem Baumstamm, auf dem ich die Nacht über gesessen hatte in das feuchte Gras, war sofort tot. Der einzige Aspekt, der das idyllische Gesamtbild störte, waren meine weit geöffneten Augen. Doch ich wollte sie in der Hoffnung nicht schließen, noch einen Stern am Nachthimmel finden zu können. Der Tau glänzte in den ersten Sonnenstrahlen, wärmte die Welt ein wenig auf, als ich die Wiese verließ.
Dienstag, 7. August 2007
das ist toll!
ich habe jetzt auch ein blog. und ich werde es benutzen!
wahrscheinlich wird kein mensch meine ergüsse lesen, aber das ist auch egal!
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